Mein Opa hieß Emil Alber. Er starb am 17. Oktober 1964 im Alter von 43 Jahren völlig überraschend an einem Herzschlag. Mein Vater war da gerade einmal 13 Jahre alt. Ich konnte ihn leider nie persönlich kennenlernen. Alles, was ich von ihm weiß, weiß ich von Erzählungen meines Papas. Emil Alber war ein riesiger Autofan, der sogar zwei Fahrzeuge selbst „erschuf“ und zusammenbaute – so etwas war damals noch möglich. Heutzutage undenkbar, oder? Die Fahrzeuge waren zugelassen und er fuhr damit sogar bis nach Italien. Das ist seine Geschichte.

Passfoto von Emil Alber in jungen Jahren – Bildquelle: Privat
Retromanie ist ein Oldtimer-Blog, das sich der Liebe zu alten Fahrzeugen widmet. Aber zu jedem Auto gehört auch immer eine persönliche, menschliche Geschichte. Schließlich ist jedes Auto auch nur ein Mensch, wie wir wissen. Dieses kleine digitale Denkmal widme ich meinem Großvater und meinem Vater, mit dem ich heute noch gerne an Autos herumbastle und -schraube, wie ich es bereits als kleiner Junge getan hatte. Ich wünsche euch allen viel Spaß beim Lesen und Entdecken der Fotos.
Die Liebe zum Automobil verbindet Generationen.
Vom selbstgebauten Bob zum selbstgebauten Sportwagen
Geboren wurde mein Opa am 16. Februar 1921 in Schramberg im Schwarzwald – dort, wo auch ich 63 Jahre später das Licht der Welt erblicken sollte. Es folgten eine Mechaniker-Lehre bei der Firma Junghans AG (seinerzeit die weltweit größte Uhrenfabrik mit mehreren Tausend Beschäftigten) und ein Studium an der Staatlichen Ingenieurschule in Konstanz am Bodensee (Abschluss im Juni 1948 als staatlich geprüfter Ingenieur für allgemeinen Maschinenbau). Anschließend kehrte Emil als Konstrukteur zu Junghans zurück.

Firma Junghans Uhren in Schramberg im Schwarzwald – hier war Emil Alber als Konstrukteur tätig – Bildquelle: Privat
Not macht erfinderisch. Kurzerhand erbaute sich der Maschinenbauingenieur im Nachkriegsdeuschland seine eigenen schnittigen Sportwagen – das sorgte in den 50er Jahren für Aufsehen im beschaulichen Schwarzwald-Städtchen Schramberg.
Basteln, konstruieren und Technik selbst erschaffen – das steckte dem Schwaben in den Genen. Bereits als junger Mann baute er ca. 1937 einen eigenen Bob, auf dem er im Winter auf der ungeräumten Kreisstraße mit hoher Geschwindigkeit ins Tal hinunterdonnerte – bei einem schweren Sturz zog er sich eine Narbe an der Stirn zu – stoppen konnte ihn das jedoch nicht…

Mit einem selbstgebauten Bob fing alles an… – Bildquelle: Privat
Ca. 1949 war dann die Zeit gekommen für das erste, „richtige“ selbstgebaute Fahrzeug: Ein befreundeter Flaschner half dabei, Karosserie und Bleche zusammenzuschweißen und -hämmern. Aufgetrieben wurden alle nur erdenklichen Teile, welche die jungen Männer in der spärlichen Nachkriegszeit auftreiben konnten. Türen hatte der Flitzer keine – dafür ein größeres Loch am Kardantunnel, praktisch, um bei Regen ganz ohne Aussteigen seine kleine Notdurft zu verrichten. Die erste Karosserie war bugattiähnlich hell. Angetrieben wurde der selbstgebaute Flizer vom BMW-Motor eines Wehrmachts-Motorrad-Gespanns.

Das bugattiähnliche Erstlingswerk von Emil Alber – der Konstrukteur sitzt stolz am Steuer – Bildquelle: Privat
Der Nachfolger: ein „Schramberger Silberpfeil“
Auf der gleichen Chassis entstand dann ein paar Jahre später ein weiteres Fahrzeug, im Stil der berühmten Silberpfeile von Mercedes-Benz. Jetzt hatte der Wagen auch ein Verdeck und war perfekt für die kleine Familie tauglich. Der Sohnemann Edgar (mein Vater) wurde zwischen Fahrer und Beifahrerin „eingequetscht“ – der „Sicherheitsgurt“ der 1950er Jahre. In der letzten Bauphase wurde die Karosserie dunkelrot gespritzt und erhielt Stoßstangen. Die Technik war sehr robust, sodass Reisen nach Bayern, und sogar bis an den Gardasee möglich waren. Der Bruder Ernst hatte mit seiner Lambretta das Nachsehen.

Militär-Motorrad BMW R75 – aus so einem ähnlichen Motorrad stammte der Motor für den selbstgebauten Wagen. Bildquelle: ermess – stock.adobe.com
Der Verbleib der selbstgebauten Fahrzeuge ist ungeklärt. Sachdienliche Hinweise werden gerne von der SJS Carstyling Online-Redaktion entgegengenommen. 😉
1955 wurde das Auto dann doch zu eng und unkomfortabel, sodass Emil Alber es schlußendlich verkaufte. An wen genau, ist nicht mehr überliefert, Interessenten gab es auf jeden Fall einige, denn Sportwagen waren zu der Zeit noch rar gesät. Wer weiß? Vielleicht schlummert der Albersche Silberpfeil heute noch irgendwo in der Republik in einer Garage den Dornröschenschlaf?

Silberpfeil à la Emil Alber – auf der Haube sitzt mein Vater Edgar als kleiner Bub – Bildquelle: Privat
1.000 Kilometer am Stück bis nach Italien – echte Autofans brauchen keine Pausen
Anschließend schaffte Emil Alber einen Ford Taunus 15m mit Weltkugel im Grill an (Rechnungen und Fahrtenbuch sind bis heute im Familienbesitz vorhanden). Sehr stolz war der junge Familienvater darauf, dass es der 15m mit 55PS den Fohrenbühlpass (800m) im 3.Gang bezwang. Den 4.Gang musste Emil optional dazu kaufen. Besonders stolz war der Auto-Fanatiker auch auf die Weißwandreifen, die einmal wöchentlich mit Akopads gereinigt wurden. Im Winter wurden alle Autos bis zu diesem Zeitpunkt abgemeldet und in einer großen Omnibusgarage überwintert. Das sparte und schonte.

Rechnung des Ford Taunus, 7.463 DM kostete der Wagen im Jahr 1957. Bildquelle: Privat
Die Auto-Reisen gingen jetzt bis auf die Insel Elba. Emil nahm seinen ganzen Jahresurlaub am Stück. So konnte die Familie 6 Wochen nonstop in Italien (Elba/Monte Argentario) sein. Die 1.000 km fuhr er immer durch. Nachts um 1 Uhr ging es los, so dass die Albers abends um19 Uhr die vorbestellte Fähre nach Elba bekamen. Alles ohne Servolenkung und Autobahnen. Mitten durch Milano war nichts für schwache Nerven. Die Autostrada del Sole war später eine Riesenerleichterung.

Emil Alber im Glück. Mit Taunus und FIAT nach Italien in den Urlaub. Bildquelle: Privat
1961 wurde ein FIAT 1800b in weiß mit Weißwandreifen angeschafft. Dieser begeisterte den Technikfreak durch seinen seidenweichen Sechszylinder-Sound und die serienmäßigen vier Scheibenbremsen.1963 gönnte sich mein Opa dann einen FIAT 2300. Auf der neuen HAFRABA-Autobahn Hamburg-Basel lief er schon 160 km/h schnell, sehr beeindruckend und von den Windgeräuschen her auch sehr laut. Emil gelang es, auf einer breiteren Straße im 4. Gang zu wenden. Der Motor war sehr elastisch.

In diesen Fahrtenbüchern notierte Emil Alber akribisch die Vebräuche – Bildquelle: Privat

Bildquelle: Privat
Ordnung muss sein: von Fahrtenbüchern und Sechszylindern

Mit der Fahrzeugmarke Lloyd konnte Emil wenig anfangen. Bildquelle: Santi Rodríguez – stock.adobe.com
Echte Autos mussten für Emil Alber einen Sechsyzylinder-Motor haben. Alles andere kam ihm nicht in unter die Haube.
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Und nicht vergessen: Ersatzteile in höchster Qualität gibt es natürlich bei uns im Shop – an der großen Auswahl zu fairen Preisen hätte auch der sparsame Schwabe Emil Alber sicherlich eine große Freude!
Bildquellen Titelbild-Collage: Privat
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